Fahnen - Herkunft und Geschichte



Mit diesen wahrlich dürren Worten beschreibt das zu Rate gezogene Lexikon das Objekt, von dem die ASV-Fahnenkompanie ihren Namen bezieht, und das im Jahre 2002, wie auch die Fahnenkompanie selbst, fünfzig Jahre alt wurde.
Dabei ist es lohnenswert, über diesen Terminus einige Gedanken zu verlieren:
Das Wort entstammt dem althochdeutschen „fano“, was eigentlich nur „Tuch“ bedeutete, verkürzt aus dem Worte „grundfano“ = „Kampftuch“. In der Regel handelt es sich um ein ein- oder mehrfarbiges, leeres oder mit heraldischen Figuren geschmücktes Stoffstück mit symbolischer Bedeutung, das an einer Stange einseitig dauerhaft oder beweglich befestigt ist. Fahnen als Symbolträger stehen für gewisse Begriffe und Anschauungen der verschiedensten Art.




So wird die „Rote Fahne“ mit der politischen Linken assoziiert, unter der schwarzen sammeln sich die An­ar­chis­ten (sie macht aber auch Munitionstrans­porte kenntlich) und die grüne weht in der Farbe des Prophe­ten Mohammed für den Islam. Eine weiße Fahne zeigt die Be­reitwilligkeit zur Unter­handlung oder zur Kapitu­lation an, die Genfer Fahne (rotes Kreuz auf weißem Feld) ist das Zeichen des Roten Kreuzes, pestverseuchte Ortschaften wurden früher mit einer gelben Flagge gekennzeichnet. Soldaten ruft man „zur Fahne“, sie leisten ihren Eid auf selbige, und wer den Kampf verweigert oder die Truppe eigenmächtig verlässt, begeht „Fahnenflucht“. Dieses Ver­gehen (Desertation) wird in Deutschland mit bis zu fünf Jahren Freiheitsstrafe bedroht (§16 WStG) und war im Kriege in der Regel mit dem höchsten Strafmaß belegt; der gefasste Fahnenflüchtige wurde standrechtlich erschossen.




Der Eid auf die Fahne

Hieraus erkennt man unschwer die Bedeutung dieses Symboles: wird die Fahne angegriffen oder entehrt, fühlt sich die ganze Gemein­schaft, die sie repräsen­tiert, angegriffen oder entehrt. Wie auch in anderen Ländern, ist hier in Deutschland die Verunglimpfung inländi­scher Ho­heits­zei­chen, also Fahnen, Wappen etc., unter Strafe gestellt und wird nach § 90a Abs. 1 Nr. 2 StGB mit Frei­heitsstrafe bis zu drei Jahren geahndet. Ausländische Hoheitszeichen sind durch § 104 StGB ge­schützt.

Natürlich haben Fahnen nicht nur politische Bedeutung als nationale oder internationa­le Kennzeichen. Fahnen werden auch von Körperschaften geführt, z.B. Vereinen, Studentenverbindungen und Zünften. Auch kleinere Gemeinschaf­ten führen neben anderen Symbolen, Abzeichen und Kleidung (durch das Tragen seiner Uniform de­monstriert zum Beispiel der Schütze, Teil der großen Schützengemeinschaft zu sein) auch eigene Fahnen. Im Minimalfalle kann es die Tischfahne eines Kegelclubs  oder  auch eines  Stamm­tisches sein,  die von allen Mitgliedern als ihr gemeinsames äußeres Zeichen angesehen wird. Größere Gemeinschaften, die sich oftmals öffentlich in ihrer Geschlos­senheit darstellen, wie Sport-, Musik-, Gesang- oder Karnevalsvereine, - selbstverständlich auch die Schützen, tun das sehr oft unter Mitführung ihrer Fahne. Nun ist dies keinesfalls eine spezielle Angelegen­heit der Deutschen, denen man ja gerne einen starken Hang zur Vereinsmeierei oder, noch schlimmer, einen latenten Militarismus nachsagt. Viele Gruppen, Vereine oder Gemein­schaften in und außerhalb Europas han­deln ebenso. Im übrigen hat ein beträchtli­cher Teil der sich durch eine Fahne repräsentierenden Gemein­schaften einen kirchlichen Cha­rakter und führt eine ent­sprechende Darstellung auf der Fahne. Hier­für geben die Schützen­bruder­schaf­ten ein be­redtes Zeugnis.



Eine alte Fahne der Willicher St.-Sebastianusbruderschaft
mit einem aufgemalten Bildnis ihres Schutzpatrones als Soldat,
wahrscheinlich aus dem 17. Jahrhundert stammend.


Beispiel gebend ist die abgebildete älteste Fahne der Willicher St.-Sebastianus-Bruderschaft: der Schutzpatron (nach anderen Deutungen möglicherweise auch St. Rochus) ist in einer für jene Zeit sehr typischen Darstellung auf einem Leinentuch in voller Rüstung als strahlender Krieger dargestellt. Die Pfeile auf dem Wappenschild und der Standarte sind in doppelter Kreuzesform angeordnet, als Hinweis auf seine soldatische Herkunft und seinen Märtyrertod durch Erschießen. Den Bezug zum Heimatort vermittelt eine Abbildung der alten Pfarrkirche im Hintergrund. In der Nach­folge dieser alten Bruderschaftsfahnen steht die Fahne für den „Allgemeinen Schützenverein Willich“, deren fünfzigster Geburtstag 2002 zu begehen war.

Doch woher stammt nun die Sitte, Fahnen zu tra­gen und zu zeigen?

Sie tauchten erstmals im alten Ägypten auf, wo sie bei verschiedenen religiösen Zeremonien gebraucht wurden und ganz unter­schiedliche Formen hatten. Neben den altorientalischen Völkern waren sie als Kampf- und Siegeszeichen auch Germanen und Arabern bekannt.





Römisches vexillum mit Adler 

Bei den Griechen und Römern dienten Fahnen als Feldzeichen einzelner taktischer Abteilungen. Gaius Marius, ein  römischer Feldherr, führte dann für das römische Heer den metallenen Adler als ge­meinsames Feld­zei­chen (signum legionis) ein. Auch zur Gliederung der Kohorten gab es verschiedene Zeichen, soge­nann­te si­gna und vexilla. Das signum war eine Standarte mit Me­tallbildern, das vexillum [1] diente als Standarte für die Reiterei. Häufig verband man das signum mit dem vexillum, einem qua­drati­schen Stück Stoff.
Der Gebrauch eines farbigen Tuches an einer Stange war auch im alten China bekannt, wie der Grabstein eines Kaisers aus der Han-Dy­nastie zu Beginn unserer Zeitrech­nung be­weist. Die Kirche entwickelte im 10. Jahrhundert zu liturgischen Zwecken eigene Kirchenfahnen. Im mittelalterlichen Heiligen Römischen Reich wurde ein vom König unmittelbar verliehenes Lehen mit herzoglicher Amtsgewalt „Fahnlehen“ genannt; die Investitur erfolgte durch Überreichung einer Fahne als Sinnbild des Heerbannes. Fahnen waren neben den Bannern zunächst nur ein Persönlichkeitsattribut, also ein Zei­chen für den Träger. Doch schon bald wurde die persönliche Fahne auf seinen Herr­schaftsbereich übertragen. So war zum Bei­spiel die „Oriflamme“ [2] zuerst die Kriegsfahne der französischen Abtei Saint Denis, später führten sie die Könige, die zugleich Schirm­vögte des Klosters waren. Dann war sie die Kriegsfahne der französischen Könige und schließlich die Fahne des König­reiches Frankreich. Noch heute weht die Stan­dar­te des Regenten eines Landes nur über dem Amtssitz, in dem sich dieser gerade befindet. Das Dienstfahrzeug des Repräsen­tanten eines Staates erhält eine verkleinerte Ausgabe, das Stander.
Eine Fahne wurde von den Truppen der Heere auch in der Neuzeit, bei den berittenen Truppen frü­her „Standar­te“ genannt, als Feldzeichen mitgeführt: im 18. Jahrhundert von den Kompanien, Schwadronen und Batterien, später von Ba­taillonen und Kavallerieregimentern;  sie galt der Truppe als zur Treue verpflichten­des Symbol. Sie war aber auch Anwesenheitszei­chen und Symbol der Herr­scher, z.B. der mit­telalterlichen Kaiser, deren „Bluts­fahne“, unter der Reichslehen mit Gerichts­bar­keit über Leben und Tod verliehen wurden, zur „Reichs­fahne“ und „Reichssturmfahne“ wurde. Im militärischen Bereich entwickelte sich die Fahne, bis zum 16. Jahrhundert häufig auch Banner oder Panier genannt, vom Richtungs- und Sammelzeichen zum Symbol der militärischen Ehre und Treue.




Dem Landsknechtshaufen, „Fähnlein“ genannt, war die Fahne Sammelpunkt in der Schlacht. Hier handelt es sich um einen Truppenteil von 300 bis 600 Mann Fußvolk oder 250 Reitern, die im 16. bis 17. Jahrhundert unter einer Fahne zusammengeschlossen waren. Der „Fähnrich“ haftete mit seinem Leben für sie. Der Verlust der Fahne bedeutete für die Truppe Entehrung, die nur durch hervorragende Ta­ten wieder ausgeglichen werden konnte. Ehrenbezeugungen wurden der Fahne wie einem Vorgesetzten erwiesen. Meist befand sich auf dem Fahnentuch ein Wappen oder eine andere komplizierte Dar­stellung. Schon aus diesem Grunde war es nicht möglich, Fahnen in großer Zahl herzu­stellen. Da man aber auf den zahlreichen Feldzügen sehr viele Fahnen brauchte, musste man sie im großen produzieren: Anstatt des komplexen Wappens oder einer anderen Darstellung nahm man nur die wichtigsten Farben dieses Wappens oder ein einfaches Abzei­chen hieraus und komponierte daraus eine bunte Flagge. Viele heute noch gültige Nationalflaggen gehen auf solche Vereinfachun­gen zurück, etwa die Flagge Deutschlands, Spaniens und weiterer Länder.




Streifenflagge „blau-gelb-rot“ der ehemaligen Gemeinde Willich


 

Auch die Farben „Blau-Gelb-Rot“, welche anlässlich des Schützen­festes in den Willicher Straßen dominieren, sind dem alten Gemeindewappen entnommen.





Regimentsfahne von 1936


Die Nationalsozialisten verstanden es sehr gut, einen regelrechten Kult mit Fahnen und anderen staatlichen Symbolen zu betreiben, weil sie dies als förderlich für den Zusammenhalt des Volkes - gerade in Kriegszeiten - ansahen. Bereits nach wenigen Jahren hatte das Hakenkreuz – ursprünglich ein reines Parteiabzeichen – die alten Reichs­farben verdrängt und war nun allenthalben vertreten, gerade auf Fahnen und Flaggen. Ein originaler Kommentar aus jener Zeit zu den abgebildeten Fotos ist nachfolgend aufgeführt:



„Am 12. März 1935, dem Tag der Verkündung deutscher Wehrhoheit, ließ der Führer die Feldzeichen der alten Armee mit dem Kriegskreuz schmücken. Im Herbst 1936 bekam das Heer die ersten der am 5. Oktober 1935 verliehenen eigenen Fahnen.“

„Zu nationalen Gedenktagen werden die an historischen Stätten ruhenden Fahnen der alten Armee durch Fahnenkompanien abgeholt. Unser Bild zeigt eine solche vor der Potsdamer Garnisonskirche“



Standarte von 1936



Die berittenen, bespannten und motorisierten deutschen Truppen führten bis 1945 Standarten. Sie waren etwas kleiner als die übrigen Truppenfahnen; ein meist quadratisches, oft ein Tuch mit spitzwinkligem Einschnitt.

1964 wurde ein Erlass über die Stiftung neuer Fahnen für die Einheiten der Bundeswehr herausgegeben; seither haben Bataillone und Geschwader wieder eine Truppenfahne mit dem Bundesadler und dem Eisernen Kreuz an der Schaftspitze.




Wenn auch die Fahne des „Allgemeinen Schützenvereines“ ebenfalls  einer solchen Tradition entstammt,
auch wenn sie vor den Umzügen unter den Klängen des friderizianischen Präsentiermarsches
mit allen Ehren auf dem Antreteplatz vom Schützenregiment empfangen wird,
so ist sie doch weit davon entfernt, irgendeinen militärischen Charakter anzunehmen.
Die Schlachten, die unter ihr geschlagen werden, sind wohl mehr an der Theke im Festzelt auszutragen.
Sie steht vielmehr für Freude und Freundschaft; fröhliches Feiern und für eine Gemeinschaft,
die die Generationen verbindet und den Fremden herzlich bei sich aufnimmt.



[1]   aus diesem Wort wurde später der Begriff „Vexillologie“ abgeleitet, der Begriff für die sich mit Flaggen befassende Wissenschaft.
[2]   aus dem Altfranzösischen: „goldene Flamme“.